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Physikalisches Institut

Theoretische Physik III - Quantentheorie der kondensierten Materie - Prof. Dr. Vollrath Martin Axt

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Forschung

"Physik auf kurzen Zeitskalen" - Lehrstuhlporträt


Ultrakurzzeit-Dynamik in Halbleiterstrukturen

Das Hauptarbeitsfeld des Lehrstuhls für Quantentheorie der kondensierten Materie ist die Ultrakurzeit-Dynamik in Halbleiterstrukturen. Dieses Gebiet ist zum einen reich an fundamentalen Fragestellungen und hat zum anderen schon aufgrund der enormen technologischen Bedeutung von Halbleitermaterialien ein hohes Potential in Bezug auf mögliche Anwendungen. Die mittlerweile verfügbare Strukturierbarkeit auf einer Nanometerlängenskala eröffnet eine kaum übersehbare Vielfalt an Möglichkeiten zum gezielten und kontrollierten Aufbau komplexer gekoppelter Systeme. Ferner  können strukturierte Halbleiter als prototypische Modellsysteme für komplexe Vielteilchensysteme mit ausgeprägten Quanteneigenschaften gelten. Zu den fundamentalen Herausforderungen für die Theorie zählt unter anderem die Beschreibung von Vorgängen auf ultrakurzen Zeitskalen, da hier viele traditionelle Zugänge an ihre Grenzen stossen. So wird etwa die Wechselwirkung der Ladungsträger in einem Halbleiter im Rahmen der Boltzmann-Gleichung als Stoß behandelt, also als ein Ereignis, das zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort stattfindet und weder eine zeitliche noch eine räumliche Entwicklung aufweist. Durch den Einsatz von ultrakurzen Laserpulsen ist es inzwischen möglich, Wechselwirkungsprozesse in Halbleitern raumzeitlich aufzulösen. Um die Physik von Wechselwirkungsprozessen endlicher Dauer und räumlicher Ausdehnung adäquat erfassen zu können, ist eine Beschreibung auf quantenkinetischer Stufe erforderlich, die den hier relevanten raumzeitlichen Gedächtniseffekten Rechnung trägt. Ferner können Wechselwirkungen, die über einen längeren Zeitraum bestehen, zu festen Korrelationen zwischen den beteiligten Teilchen führen. Der Berücksichtigung  von Vielteilchen-Korrelationen und Kohärenzen inklusive ihrer Spinabhängigkeiten und quantenstatistischen Eigenschaften  kommt eine zentrale Bedeutung zu, sowohl um ein vertieftes Verständnis der Ultrakurzzeit-Dynamik zu erlangen als auch im Hinblick auf mögliche Anwendungen im Bereich innovativer Technologien.


Dynamik in Halbleiter-Quantenpunkten und Quantenpunkt Resonator-Strukturen

Die mögliche Realisierung von Grundfunktionen eines Quantencomputers mit Hilfe von optisch angeregten Quantenpunkten ist aktuell ein sehr aktives Forschungsgebiet. Die diesbezüglichen Arbeiten unserer  Theoriegruppe zielen darauf ab, ein mikroskopisches Verständnis für die in Quantenpunkten anzutreffende Dekohärenz zu entwicklen, die für eine erfolgreiche Realisierung einer Quantenlogik ein wesentliches Hindernis darstellt. Hierbei stehen Untersuchungen der gekoppelten Dynamik elektronischer und phononischer Anregungen im Vordergrund. Unsere Ergebisse zeigen, dass das sogenannte  Pure-Dephasing in Quantenpunkten einen wesentlichen Dekohärenzmechanismus darstellt. Dabei handelt es sich um Elektron-Phonon-Wechselwirkungsprozesse, die nicht zu einer Änderung der elektronischen Besetzungen führen. Dies ist bemerkenswert, da in höherdimensionalen Systemen solche Prozesse von untergeordneter Bedeutung sind. Ferner  zeigen unsere Ergebnisse, dass Pure-Dephasing Prozesse Aufgrund ihrer nicht-Markovschen Natur mit Methoden der kohärenten kontrolle manipulierbar sind und durch Verwendung von geeigneten Pulsabfolgen, die Dekohärenz reduziert werden kann.

Neben Fragen der Dekohärenz haben wir weitere Aspekte der gekoppelten Elektron-Phonon Dynamik untersucht. Beispielsweise ist es uns gelungen eine Dynamik von  Erzeugendenfunktionen für phononassistierte Dichtematrizen zu formulieren, die es erlaubt, die zeitliche Entwicklung der Bildung von akustischen Polaronen nach einer ultrakurzen Laseranregung analytisch zu beschreiben. Es konnte gezeigt werden, dass bei der Polaron-Bildung in Quantenpunkten Energie freigesetzt wird, die in Form eines gepulsten Phononwellenpaketes aus dem Quantenpunkt abtransportiert  wird.

Aktuell besonders interessant ist die Kopplung von Quantenpunkten an Resonatoren, die wenige Photonmoden an den Quantenpunkt koppeln. Solche Systeme können als Quellen vieler nichtklassicher Photonzustände eingesetzt werden wie z.B. als Einzelphotonquelle, Quellen verschränkter Photonpaare sowie zur Erzeugung von Schrödinger-Katzen-Zuständen oder höheren Fock-Zuständen. Es konnte gezeigt werden, dass der Phononeinfluss auf für Anwendungen wichtige Kenngrößen wie z.B den Verschränkungsgrad oder die Reinheit der Einphoton-Zustände nicht immer destruktiv ist. Auch der Befund, dass eine phonon-assisitierte Präparation von Exziton- und Biexziton-Zuständen nicht zu Qualitätsverlusten bei nachfolgend emmitierten Photonen führt
ist für Anwendungen von Bedeutung, u.A. konnte gezeigt werden, dass mit einer solchen Präparation räumlich getrennte simultan angeregte Quantenpunkte Photonen mit hoher wechselseitiger Kohärenz emmitieren können, was von entscheidender Bedeutung für die Skalierbarkeit entsprechder Anwendungen ist.

Zur Behandlung laser-getriebener Quantenpunkt-Resonator-Systeme, die an Phononen gekoppelt sind, haben wir einen Pfadintegral-Zugang entwickelt, der in der Lage ist, diese echten wechselwirkenden Vielteilchen-Systeme ohne Näherung an das Modell numerisch vollständig zu beschreiben. Der bislang effizienteste Algorithmus zur Auswertung der Summe über die Pfade konnte für diese Systeme durch eine Umformulierung in unserer Gruppe um bis zu 20 Größenordnungen beschrleunigt werden. Erst durch diese Neuentwicklung wurden Rechnugnen für Systeme mit höherer Photonenzahl möglich.


Spin-Dynamik in magnetischen Halbleiterstrukturen

Bei diesem Themenkreis befassen wir uns mit der nicht-thermischen kohärenten Dynamik optisch angeregter magnetischer Halbleiter. Insbesondere interessieren uns die Möglichkeiten der kohärenten optischen Kontrolle der Magnetisierung auf ultra-kurzen Zeitskalen, wie sie u.A. für Anwendungen in der Spintronik benötigt werden. Wir haben uns sowohl mit stark lokalisierten als auch mit ausgedehten magnetischen Nanostrukturen befasst. Zur ersten Kategorie zählt z.B. ein System, das aus einem optisch angeregten Quantenpunkt mit einem einzelnen darin eingebetteten Mn Atom besteht.  Es konnte gezeigt werden, dass der Spin des Mn Atoms durch eine geeignete Folge von Laseranregungen selektiv in jede seiner sechs Quantenzustände gebracht werden kann, obwohl es keine direkte Kopplung an das Laserfeld gibt. Ein vollständiges Ummagnetisieren ist auf einer Zeitskala von einigen 10 Picosekunden möglich. Als Prototyp ausgedehnter magnetischer Strukturen haben wir die Spin-Dynamik in verdünnten magnetischen Halbleiterquantenfilmen analysiert. Obwohl diese Systeme bereits seit langem untersucht wurden, konnte erst durch unsere Analyse geklärt werden, warum Markovsche Spin-Relaxationsraten zu keiner zufriedenstellenden Übereinstimmung mit Experimenten führen. Quantenkinetische Effekte sind hier von entscheidender Bedeutung. Unter Anderem zeigte sich, dass die nicht-magnetische Streuung an Störstellen einen sehr großen Einfluss auf die Spin-Dynamik hat, obwohl die zugehörige Markovsche Rate verschwindet.


Kurzzeitdynamik von BCS Systemen

Modellrechnungen zeigen, dass BCS Systeme (z.B. klassische Supraleiter oder auch einige ultrakalte Alkaligase) durch ultrakurze externe Einwirkungen in Zustände fern vom thermischen Gleichgewicht versetzt werden können, deren Dynamik sich sich nicht allein durch zeitveränderliche Besetzungen von Quasiteilchen beschreiben lässt. Es wird ein nicht-adiabatisches  dynamisches Regime vorhergesagt, in dem sich auch Kohärenzen zwischen Quasiteilchen-Zuständen aufbauen. Ein markanter Indikator für das Erreichen dieses nicht-adiabatischen Regimes ist das Einsetzen von zeitlichen Oszillationen des BCS Odrnungsparameters.

Ziel unserer Untersuchungen zu diesem Thema ist es zum einen ein Verständnis der charakteristischen Kurzzeiteffekte in BCS Systemen zu erlangen. Zum anderen soll der Frage nach gegangen werden, in wie weit sich die ungewöhnlichen dynamischen Eigenschaften des nicht-adiabatischen Regimes der BCS Systeme in experimentell zugänglichen Signalen wiederspiegeln.  Unsere Rechnungen ergaben, dass die Oszillationen des Ordnungsparameters nicht als Linienverschiebungen in herkömmlichen Pump-Abfrage Experimenten beobachtbar sind. Wird jedoch zur Anregung ein Paar phasengekoppelter Pulse eingesetzt, so sollten diese Oszillationen als Linienverschiebungen in Abhängigkeit der Kontrollverzögerung   nachweisbar sein.



Verantwortlich für die Redaktion: Prof. Dr. V. M. Axt

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